Gesunder Schlaf ist lebenswichtig: Der Körper braucht die Schlafphasen, um sich zu erholen und zu regenerieren. Heilungsprozesse etwa laufen dabei schneller ab als im wachen Zustand. Auch das Gehirn nutzt diese Zeit effektiv. Es spült im Schlaf molekulare Abfallstoffe aus den Zellen und sortiert all jene Dinge, die wir tagsüber erlebt haben. Mit dem Abspeichern von Erinnerungen legt es den Grundstein für Lernprozesse. Erst beim Schlafen gelangen neue Erkenntnisse vermutlich vom Arbeits- ins Langzeitgedächtnis. Wer unausgeschlafen ist, kann sich deshalb oft schlechter erinnern – und gibt zum Beispiel einen unzuverlässigen Augenzeugen ab. Wissenschaftler um Caroline Lustenberger von der University of North Carolina in Chapel Hill haben nun erstmals untersucht, ob sich die nächtliche Erinnerungsarbeit des Gehirns gezielt beeinflussen lässt. Könnte elektrische Hirnstimulation im Schlaf der Gedächtnisleistung auf die Sprünge helfen? Immerhin ist es Forschern mithilfe von solchen transkraniellen Stromreizen bereits gelungen, Probanden kreativer zu machen und ihre Erinnerungen gezielt zu verfälschen – allerdings im wachen Zustand.
Stimulation verbessert Testergebnis
Für ihre Studie ließen Lustenberger und ihre Kollegen 16 gesunde, männliche Testpersonen zum Erinnerungstest antreten. Jeweils vor dem Schlafengehen sowie am darauffolgenden Morgen mussten die Teilnehmer dafür Gedächtnisaufgaben lösen. Unter anderem sollten sie Wortpaare bilden und mit den Fingern immer wieder eine vorgegebene Sequenz klopfen. Nachts schliefen die Probanden jeweils mit Elektroden am Kopf. Doch nur in einer von zwei Versuchsnächten stimulierten die Forscher ihr Gehirn tatsächlich mit schwachem Wechselstrom. Das Team wählte die Stromreize dabei so, dass sie bestimmten Aktivitätsmustern entsprachen, die während der Schlafphase auf dem Elektroenzephalogramm (EEG) typischerweise als wiederkehrende, spindelförmige Ausschläge auftreten: die sogenannten Schlafspindeln. Sind diese Hirnströme zu sehen, reagiert das Gehirn kaum auf Reize von außen. Wissenschaftler glauben deshalb, dass sich das Gehirn in diesen Phasen mit sich selbst beschäftigt – etwa Neues speichert oder ins Gedächtnis einordnet. „Doch ob es wirklich diese Schlafspindeln sind, die wichtig für das Speichern und Festigen von Erinnerungen sind, wussten wir bisher nicht“, berichtet Mitautor Flavio Frohlich.
Wie sich zeigte, schien die Stimulation ebendieser Hirnströme die Gedächtnisleistung jedoch tatsächlich positiv zu beeinflussen. Als so behandelte Probanden die gleichen Tests wie am Vorabend noch einmal lösen mussten, schnitten sie bei einigen Aufgaben deutlich besser ab als nach der Nacht ohne Hirnstimulation. Den Forschern zufolge verbesserten sie sich vor allem bei dem motorischen Fingerklopf-Test signifikant. „Das zeigt, dass es einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen dem elektrischen Aktivitätsmuster der Schlafspindeln und der Verarbeitung motorischer Erinnerungen gibt“, sagt Frohlich. „Die Spindeln sind demnach wichtig für Fähigkeiten, die wir jeden Tag brauchen – und wir können sie beeinflussen, um diese Fähigkeiten zu fördern.“
Interessant könnten diese Ergebnisse künftig vor allem für Patienten mit Erkrankungen wie Alzheimer, Depressionen oder Schizophrenie werden. Denn die für die Schlafspindeln typischen Hirnströme sind bei etlichen solcher Störungen schwächer ausgeprägt als bei gesunden Menschen. „Wir hoffen, dass die gezielte Stimulation dieser Gehirnwellen sich als eine neue, nicht-invasive Behandlungsmöglichkeit für Gedächtnisstörungen und kognitive Defizite erweist“, sagt Lustenberger. Der nächste Schritt sei nun, die Methode an Patienten zu testen, deren Spindel-Aktivitätsmuster beeinträchtigt seien.