Zahnbelag, lebendige Schichten auf medizinischen Geräten und bakterielle Schleimpakete im menschlichen Körper: Bei diesen Gebilden handelt es sich um Verbindungen aus Bakterienzellen und ihrem Schleim, die schwer angreifbar sind. Auf diese Weise sind die Mikroben tausendmal weniger anfällig gegenüber Antibiotika als vereinzelt, was einige Infektionskrankheiten so schwer bekämpfbar macht. Aus diesem Grund sind Möglichkeiten gefragt, die schleimigen Burgen zu durchbrechen beziehungsweise ihre Bildung zu unterbinden. Diesem Ziel ist letztlich die Arbeit der Forscher um Bonnie Bassler von der Princeton University gewidmet.
Der Cholera-Erreger im Fokus
Bei ihrer aktuellen Studie diente ihnen ein berüchtigter Erreger als Modell: das Bakterium Vibrio cholerae – der Verursacher der Durchfallerkrankung Cholera. Es handelt sich um ein gekrümmtes, stäbchenförmiges Bakterium, das freischwebend in Flüssigkeiten leben kann. Wenn es allerdings mit Nahrungsmittelpartikeln in Kontakt kommt, beispielsweise mit menschlichen Darmzellen, bildet es durch Teilung Kolonien. Die Mitglieder vernetzen sich dabei durch klebstoffartige Substanzen, um nicht weggespült zu werden und sich zu schützen – sie bilden Biofilme.
Das Ziel der Forscher war es, diese Entwicklung auf der Ebene einzelner Zellen zu beobachten. Bisher war es nicht möglich, einzelne Zellen in einem Biofilm optisch auseinander zu halten. „Niemand hat bisher in einen lebenden Biofilm gespäht und die Entwicklung Zelle für Zelle mitverfolgt“, sagt Bassler. Den Forschern gelang dies nun durch raffinierte Techniken der konfokalen Mikroskopie. Zusätzlich verpassten sie den Bakterienzellen auf gentechnischem Wege ein Leuchten, um sie besser identifizieren zu können. Durch die Kombination von vielen Aufnahmen und Computerberechnungen konnten sie schließlich dreidimensionale Darstellungen des sich entwickelnden Biofilms herstellen. „Es ist wie der Blick tief in das Innere eines Biofilms, ohne ihn in Scheiben schneiden zu müssen“, sagt Co-Autorin Jing Yan.
Bakterien werden nach oben gedrückt
Die Forscher konnten auf diese Weise erstmals detailliert dokumentieren, wie sich die Bakterienkolonie horizontal auf der Oberfläche ausbreitet und anschließend verdickt: Wenn sich die Zellen teilen, lagern sie sich zunächst nebeneinander an. Ab einer bestimmten Ausdehnung steigt dann der Druck im Zentrum der Kolonie soweit an, dass die neuen Zellen durch den Quetsch-Effekt nach oben gedrückt werden. Die Kolonie beginnt sich dadurch von einer flachen, zweidimensionalen Masse zu einem expandierenden, dreidimensionalen Blob zu entwickeln, der von klebrigen Substanzen zusammengehalten wird. Momentan untersuchen die Forscher die physikalischen Kräfte im Zentrum der Biofilme, um so die gesamte Mechanik bei der Entwicklung genauer aufzuschlüsseln.
Ein „Burgbau-Gen“ identifiziert
Auch über die Programme, die dabei in den Mikroben ablaufen, haben die Forscher etwas herausgefunden: Ein Gen namens RbmA scheint ein wichtiger Drahtzieher zu sein. Wenn die Forscher es auf gentechnischem Wege ausschalteten, bildete sich anstatt des dichten festen Biofilms ein vergleichsweise lockerer und diffuser Verband. Bei RbmA könnte es sich somit um einen Ansatzpunkt für die Entwicklung von Bekämpfungsstrategien handeln, sagen die Forscher.
Sie planen ihre Untersuchungsmethoden nun auch bei der Erforschung weiterer Biofilm-bildender Bakterien einzusetzen. Darunter sind berüchtigte „Bösewichter“: Pseudomonas aeruginosa – ein Erreger von gefährlichen Lungeninfektionen – und der gefürchtete Krankenhauskeim Staphylococcus aureus. Das Ziel am Horizont sind Strategien, um das Schutzsystem der Erreger zu unterminieren, so dass Antibiotika sie besser erreichen und beseitigen können.