Die Entscheidung für den Brexit und die Wahl Donald Trumps haben viele Meinungsforscher überrascht. Nun stellt das Schweizer “Magazin” eine Firma vor , die vielleicht in beiden Fällen einen Beitrag dazu geleistet hat – durch Meinungsforschung für die Gewinner (Lesen Sie dazu auch “Computer können uns besser kennenlernen als Freunde” ). Cambridge Analytica teilt die Bevölkerung nicht nur nach demografischen Kriterien ein, wie es das Team von Hillary Clinton getan haben soll, sondern nutzt nach eigenen Angaben viele weitere Indikatoren, um relevante Zielgruppen einzugrenzen. Als Beispiel werden im Bericht zweifelnde Demokraten in den USA genannt, denen man mit unpopulären Videos Clintons die Lust am Wählen vergällen wollte. Gegenüber dem “manager magazin” bestreitet Cambridge Analytica jedoch, diese Zielgruppe in dieser Weise angesprochen zu haben.
Die Daten kauft die Firma ein oder erhebt sie selbst in IQ- oder Persönlichkeitstests, die sie dann mit den Facebook-Likes der Teilnehmer verknüpft. “Das Smartphone ist ein gewaltiger psychologischer Fragebogen”, heißt es im “Magazin”. Aus den Daten lassen sich statistische Zusammenhänge ableiten, mit deren Hilfe man das Verhalten der Menschen vorhersagen kann – nicht mit wissenschaftlicher Präzision, aber angeblich viel genauer als mit herkömmlichen Methoden. Der beste Hinweis auf einen Trump-Wähler, verrät der Firmenchef Alexander Nix, ist ein Interesse an Autos, die in den USA gebaut worden sind.
Neues Risiko oder neue Chance?
Einige Journalisten haben die fehlende Belege kritisiert : Welchen Effekt Cambridge Analytica auf die politischen Entscheidungen hatte, lässt sich bisher nicht beurteilen. Der Bericht darüber wirkt nur so bedrohlich, weil man Big-Data-Analysen alles zutraut – sie sind eine Black Box. Allerdings ist die Präsidentschaftswahl in den USA knapp ausgegangen, so dass man sich auch für kleine Effekte interessiert, obwohl es schwer ist zu sagen, welcher kleine Effekt den Ausschlag gegeben hat. Aber auch wenn man die Wirksamkeit der neuen Methode noch nicht abschätzen kann, zeichnet sich eine grundsätzliche Frage ab: Ist personalisierte Wahlwerbung problematisch?
Der Werbeinhalt selbst mag unbedenklich sein, aber er ist eventuell wirkungsvoll, weil jeder Empfänger eine maßgeschneiderte Botschaft enthält. Die Persönlichkeitspsychologin und Bloggerin Jule Specht von der Universität Lübeck sieht darin eine interessante Chance: “Das Problem ist nicht das Werkzeug, sondern dass wir damit transparent umgehen”, sagt sie. Kleine Gruppen gezielt anzusprechen, könne für viele Branchen interessant sein – auch für Medienhäuser. Und es verbessere bloß eine alte, bisher weniger präzise Strategie. Das “Magazin” hält übrigens fest, dass sich Donald Trump für diese Werbestrategie besonders eignet: Er hat so viele, teils widersprüchliche Positionen vertreten, dass für viele Wählergruppen etwas dabei war.