idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.03.2024 12:04

Nicht in Stein gemeißelt: Spezialisierung von Ameisenköniginnen hängt vom sozialen Umfeld ab

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Spezialisierung von Ameisenköniginnen auf die Eiablage ist umkehrbar. Sie wird durch Anwesenheit von Arbeiterinnen ausgelöst und aufrechterhalten.

    Die Königinnen der sozialen Insekten, wie etwa von Ameisen, Bienen oder Wespen, gelten gemeinhin als Höhepunkt der Spezialisierung im Tierreich. Königinnen, so die verbreitete Ansicht, seien nur dazu da, Eier zu legen – und diese Eigenschaft sei angeboren und nicht von äußeren Faktoren beeinflusst. Forschungen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zeigen im Gegensatz zu dieser Auffassung, dass in Ameisenstaaten das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle bei der Verhaltensspezialisierung von Ameisenköniginnen spielen kann. „Die Spezialisierung der Königinnen unterliegt bei der Ameisenart, die wir untersucht haben, einer sozialen Kontrolle. Mit diesem Befund stellen wir das weithin akzeptierte Dogma infrage, wonach Insektenköniginnen praktisch als Eierlegemaschinen geboren werden“, sagt Dr. Romain Libbrecht. Die Arbeiten wurden in der Gruppe „Reproduktion, Ernährung und Verhalten von Insektenstaaten“ unter der Leitung von Libbrecht an der JGU durchgeführt und nun in dem Fachmagazin Functional Ecology veröffentlicht. Romain Libbrecht arbeitet heute als Evolutionsbiologe für das renommierte Centre national de la recherche scientifique (CNRS) an der Universität Tours.

    Vorstellung von Insektenstaat als Superorganismus mit spezialisierten Individuen

    Soziale Insektenkolonien bestehen aus Königinnen, die die Fortpflanzung monopolisieren, und sterilen Arbeiterinnen, die alle nicht-reproduktiven Aufgaben übernehmen, wie beispielsweise die Versorgung von Eiern und Larven – diese Ansicht stellen die Forschenden in ihrer neuen Studie auf die Probe. Sie nehmen dafür Ameisenarten in den Fokus, bei denen die Königinnen neue Kolonien alleine und ohne die Hilfe von Arbeiterinnen gründen. „Interessanterweise sind die Gründungsköniginnen in dieser Lebensphase noch nicht in ihrem Verhalten spezialisiert“, sagt Libbrecht. „Sie müssen alle Aufgaben im Nest wie auch die Brutpflege selbst übernehmen, um die erste Generation an Arbeiterinnen erfolgreich großzuziehen.“

    Libbrechts Gruppe hat die experimentellen Untersuchungen an der einheimischen Schwarzen Wegameise Lasius niger vorgenommen. Sie zeigen, welch eine zentrale Rolle das soziale Umfeld dabei spielt, die Verhaltensspezialisierung von Gründungsköniginnen auszubilden. „Wenn wir Arbeiterinnen zu den Nestern von Gründungsköniginnen hinzugeben, unterdrückt dies die natürliche Veranlagung dieser Königinnen, sich um die Brut selbst zu kümmern. Und umgekehrt, wenn wir aufs Eierlegen spezialisierte Königinnen von ihren Arbeiterinnen isolieren, dann kehren sie schnell zu dem Brutpflegeverhalten von Gründungsköniginnen zurück – selbst nach vielen Jahren der Spezialisierung.“

    Verständnis von Insektengesellschaften und ihrer Arbeitsteilung ist nun zu überdenken

    Libbrecht betont, dass ein solches Verhalten die weithin akzeptierte Vorstellung infrage stellt, dass soziale Insektenköniginnen von Natur aus spezialisierte Maschinen zur Eiablage sind. Stattdessen zeige die Studie, dass die Anwesenheit von Arbeiterinnen die Spezialisierung der Königin auf die Eiablage nicht nur auslöst, sondern darüber hinaus die Spezialisierung auch in etablierten Kolonien aktiv aufrechterhält. Diese Entdeckung, dass die Spezialisierung der Königinnen einer sozialen Kontrolle unterliegt, könnte unser Verständnis, wie Insektengesellschaften und ihre Arbeitsteilung funktionieren, verändern.

    Romain Libbrecht war von 2016 bis 2022 Gruppenleiter der Forschungsgruppe „Reproduktion, Ernährung und Verhalten von Insektenstaaten“ am Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie (IOME) der Universität Mainz. Seit 2023 ist er als Forscher des CNRS am Forschungsinstitut für Insektenbiologie der Universität Tours tätig. Er beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, wie Organismen ihre Fortpflanzung, ihre Physiologie und ihr Verhalten an die Umweltbedingungen anpassen.

    Bildmaterial:
    https://download.uni-mainz.de/presse/10_iome_verhaltensoekologie_ameisen_koenigi...
    Eine Königin der Schwarzen Wegameise bei der Brutpflege
    Foto/©: Romain Libbrecht

    Weiterführende Links:
    https://evo.bio.uni-mainz.de/forschungsgruppen/gruppe-libbrecht/ - Arbeitsgruppe „Reproduktion, Ernährung und Verhalten von Insektenstaaten“ am Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie (IOME)
    https://www.bio.uni-mainz.de/fachbereich/institute/iome/ - Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie (IOME) am Fachbereich Biologie der JGU

    Lesen Sie mehr:
    https://presse.uni-mainz.de/erfolg-durch-genetische-diversitaet-ameisenkolonien-... - Pressemitteilung „Erfolg durch genetische Diversität: Ameisenkolonien ziehen mehr Nachkommen auf“ (28.09.2021)
    https://presse.uni-mainz.de/ameisen-reagieren-auf-soziale-isolation/ - Pressemitteilung „Ameisen reagieren auf soziale Isolation“ (01.04.2021)
    https://presse.uni-mainz.de/wettruesten-der-ameisenstaaten-genaktivitaet-von-ver... - Pressemitteilung „Wettrüsten der Ameisenstaaten: Genaktivität von Verteidigern abhängig von eindringenden Sklavenhalterameisen“ (20.02.2019)
    https://presse.uni-mainz.de/ameisen-studie-gibt-hinweis-zur-evolution-sozialer-i... - Pressemitteilung „Ameisen-Studie gibt Hinweis zur Evolution sozialer Insekten“ (29.08.2018)


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Romain Libbrecht
    Centre national de la recherche scientifique (CNRS)
    Institut de Recherche sur la Biologie de l'Insecte (IRBI)
    Université de Tours
    F- 37200 Tours
    E-Mail: rlibbrec@uni-mainz.de; romain.libbrecht@univ-tours.fr
    https://www.univ-tours.fr/m-romain-libbrecht


    Originalpublikation:

    Vahideh Majidifar et al.
    Ontogeny of superorganisms: Social control of queen specialization in ants
    Functional Ecology, 26. März 2024
    DOI: 10.1111/1365-2435.14536
    https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2435.14536


    Bilder

    Eine Königin der Schwarzen Wegameise bei der Brutpflege
    Eine Königin der Schwarzen Wegameise bei der Brutpflege

    Foto/©: Romain Libbrecht


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Eine Königin der Schwarzen Wegameise bei der Brutpflege


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).